In einem offenen Brief wenden sich 35 Intendantinnen und Intendanten mitteldeutscher Theater und Kultureinrichtungen an den Intendanten des Mitteldeutschen Rundfunks, Ralf Ludwig sowie an den MDR-Rundfunkrat. Sie bringen darin Ihre Sorgen mit den angedachten finanziellen Einsparungen im Programmbereich zum Ausdruck. In dem offenen Brief heißt es:
Wir haben zur Kenntnis genommen, dass der MDR als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt vor schwierigen finanziellen Entscheidungen steht und ein Sparprogramm angekündigt hat. Gleichzeitig sehen wir mit wachsender Besorgnis, dass Einsparungen im Programm- und Produktionsbereich unmittelbar die Kulturberichterstattung und die Verbindung zwischen den Kulturinstitutionen und den regionalen Zuhörerinnen und Zuhörern treffen.
Kulturberichterstattung durch öffentlich-rechtliche Medien – konkret in Form von MDR Klassik mit Programmformaten wie dem bereits abgesetzten Opernmagazin, regelmäßigen Theater- und Konzertberichten, Premierenankündigungen, Kritiken und Hintergrundbeiträgen – ist für uns kein Luxus, sondern ein zentraler Bestandteil der kulturellen Öffentlichkeit. Der MDR als öffentlich-rechtlicher Sender hat aus dem Staatsvertrag den Auftrag die kulturelle Vielfalt der Region sichtbar und Debatten über Theater- und Musiktheaterproduktionen möglich zu machen. Eine Reduktion der Berichterstattung schwächt die Kulturlandschaft der Region und damit ihr demokratisches Fundament.
In der Präambel im Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk heißt es: „Sie (der Freistaat Sachsen, das Land Sachsen-Anhalt und der Freistaat Thüringen) wollen damit den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat und seine Institutionen stärken, in den drei mitteldeutschen Ländern die kulturelle Vielfalt und Identität fördern sowie den zum demokratischen Dialog, zur Sicherung der Meinungsvielfalt und Erhalt der Lebensgrundlagen und des Friedens beitragen.“
Die Kulturberichterstattung erfüllt mindestens vier wichtige Funktionen:
1. Publikumsmobilisierung und -information
Radioberichterstattung informiert breite Bevölkerungsgruppen über Spielpläne, Premieren, Gastspiele und Sonderveranstaltungen. Gerade für ältere Hörerinnen und Hörer, Pendlerinnen und Pendler sowie Menschen mit eingeschränkter Mobilität ist Radio ein wichtiger Zugang zur Theaterwelt. Die geplante Verschiebung ins Digitale würde an der Zielgruppe vorbeigehen und ist kein Ersatz für das Radioformat.
2. Kulturelle Meinungsbildung
Kritiken, Porträts und Debattenangebote schaffen Öffentlichkeit für künstlerische Arbeit, ermöglichen ästhetische Einordnung und tragen zur künstlerischen Qualitätssicherung bei. Ohne diese Debatten droht kultureller Diskurs zu verschwinden.
3. Regionale Sichtbarkeit und kulturelle Teilhabe
Der MDR hat als Sender für Mitteldeutschland eine besondere Verantwortung, Kultur aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sichtbar zu machen. Ihre Berichterstattung stärkt die kulturelle Identität der Region und ermöglicht Teilhabe. Ohne mediale Sichtbarkeit sinkt beispielsweise auch die Attraktivität der mitteldeutschen Kulturlandschaft für junge Kunstschaffende und die Abwanderung wird verstärkt.
4. Einfluss auf Kulturpolitik und öffentliche Finanzierung
Mediale Aufmerksamkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für kulturpolitische Wahrnehmung. Die Finanzierung und damit die Existenz vieler Kultureinrichtungen ist unmittelbar mit ihrer medialen Präsenz verknüpft. Ohne kontinuierliche Berichterstattung fehlt die medial sichtbare Legitimation für öffentliche Mittel – und damit die Grundlage für die langfristige Sicherung von Kulturinstitutionen.
Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf den MDR-Programmauftrag bitten wir Sie eindringlich: Berücksichtigen Sie bei den notwendigen Finanzentscheidungen die besondere Bedeutung der Kulturberichterstattung und der regionalen Berichterstattung über Theater, Musiktheater, Tanz und Konzerte. Konkret bitten wir um die Prüfung, dass regelmäßige Kulturberichterstattung sichergestellt bleibt: Wie stellt der MDR sicher, dass Formate des Senders MDR Klassik, die regelmäßig über Premieren, Ensemble- und Spielplan-Informationen sowie Premierenkritiken berichten, auch künftig erhalten bleiben? Wie werden Programmplätze, die den mitteldeutschen Raum abdecken, wie beispielsweise „Das Klassikgespräch“ um 9.10 Uhr von MDR Klassik konkret ersetzt? Wie stellt der MDR künftig die Sichtbarkeit der drei Bundesländer innerhalb der ARD in Radio und Fernsehen sicher?
Auf die Antworten zu den gestellten Fragen und aufgeworfenen Problemen dürften nicht nur die Intendantinnen und Intendanten gespannt sein.