Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben. Tatsächlich ist die Schlange am Eingang der Meißner Winzergenossenschaft anfänglich ziemlich lang. Geduld ist vonnöten. Später nimmt die Länge der Schlange ab, was aber nur für die Disziplin der Gäste spricht: Es kommen wenige zu spät. Rund 140 Gäste, das Who-is-who von Meißen und Umgebung, möchte dem Stadtoberhaupt an seinem letzten Arbeitstag noch einmal die Hand schütteln.
Olaf Raschke schüttelt kräftig zurück. Seine Frau Claudia dicht neben ihm. Er ist gut gelaunt und nimmt sich Zeit für den Small Talk. Es werden Erinnerungen ausgetauscht und Fotos gemacht. Hinter Raschke türmen sich auf einem großen Tisch die Geschenke. Gefühlt hat die Familie jetzt Wein für Jahre im Voraus im Keller. Abgeholt und zur Winzergenossenschaft gefahren wurde Raschke übrigens von der Meißner Feuerwehr.

Der Geschenketisch (Ausschnitt). Foto: Ulf Mallek
Unter den Gästen sind Landrat Ralf Hänsel zu finden und sein Vorgänger Arndt Steinbach. Sparkassenchef Rainer Schikatzki ist ebenso dabei wie Dombaumeister Knut Hauswald. Natürlich darf Elblandklinikenchef Rainer Zugehör ebenso wenig fehlen wie Gewerbevereinschef Uwe Reichel. Brauerei-Inhaber Eric Schäffer und CDU-Daniela Kuge sind ebenfalls vor Ort. Dresdens OB Dirk Hilbert schaut auch vorbei.
Überraschend für viele spricht Meißens ehemalige Rechnungsprüferin Petra Hannß so eine Art Laudatio auf ihren Chef. Sie erinnerte an den ersten Arbeitstag von Raschke auf den Tag genau vor 21 Jahren. Eine neue Ära begann, nach der qualvollen Amtszeit seines Vorgängers. Raschke - der Fels in der Brandung. Tatsächlich schafft er es bis heute, die Pro Kopf-Verschuldung der Meißner auf ein Zehntel vom Ausgangswert zu drücken. In seiner Amtszeit sind 98 Millionen Euro in die Stadtentwicklung geflossen. Über 70 Millionen Euro davon waren Fördermittel. 67 Millionen Euro wurden in Schulen investiert, acht Millionen in Kitas und 6,5 Millionen in Sportstätten. Das Rathaus wurde saniert, auch mit privaten Spenden. Es gab einen neuen S-Bahn-Haltepunkt Altstadt und der Panoramaaufzug ging - wenn auch anfänglich nicht problemlos - in Betrieb.

Die Staffelstabübergabe an Markus Renner. Foto: Ulf Mallek
Es gab auch Herausforderungen, die nicht so einfach zu lösen sind. Die beiden bösen Wörter mit H: Hochwasser und Hamburger Hof. Das Hochwasser hat Raschke gemeistert, schließlich mit dem Bau von Schutzwänden, die sogar viel besser schützten als anfänglich erwartet. Das Problem Hamburger Hof ist noch ungelöst. Es mangelt an Investoren.
Raschke betont dann ausdrücklich, dass er nur der Trainer war, ohne die Mannschaft sei er nichts. Doch viele fragen sich still, wie geht es jetzt weiter? Ohne ihn.
Zumindest eine freut sich, dass endlich Schluss ist mit der Bürgermeisterei. Seine Ehefrau Claudia. Sie tritt spontan ans Mikrofon und sagt: „Ich habe wirklich sehr zurückstecken müssen. Mir ist das sehr schwergefallen. Ich habe mir das nie gewünscht, es aber für Meißen gern ertragen, weil ich gesehen habe, was mein Mann leistet“. Sie habe ihn sehr vermisst und d freue sich jetzt auf die gemeinsame Zeit. Was sie vor allem an ihn bewundere, er habe sich nie über seinen Job beschwert, über nichts und über niemanden.
Raschke hat einen goldenen Staffelstab „Große Kreisstadt Meißen 2025″ mitgebracht und ihn seinem Nachfolger Markus Renner überreicht. „Nach 21 Jahren gebe ich ihn gern weiter“, so Raschke. Es wird schwer, in seine Fußstapfen zu treten. Er hat Schuhgröße 49. Dann trägt sich Raschke noch ins Goldene Buch der Stadt Meißen ein - und holt sich erstmal ein kleines Schwerter-Bier. Auf die neue Zeit.
Text: Ulf Mallek